Der Vormarsch von EBICS in Europa ist inzwischen unumstritten.
Wie entwickelt sich der Standard jedoch jenseits der Grenzen der
Europäischen Union? Ein Kontinent, der sich in meinen Augen besonders
für die Verwendung eines modernen, leistungsfähigen und universellen
Protokolls für den elektronischen Zahlungsverkehr wie EBICS eignet, ist
Afrika. Genauer gesagt denke ich hier zuallererst an Marokko. Warum?

Seit
langem schon orientieren sich die marokkanischen Banken und
Finanzinstitute an europäischen Praktiken im Bankwesen, insbesondere an
denen französischer Banken. So folgten in den neunziger Jahren die
marokkanischen Banken den französischen, indem sie sich im
elektronischen Zahlungsverkehr zwischen Unternehmen und Banken für das
ETEBAC-Protokoll entschieden. Auf diese Weise wurden die marokkanischen
Unternehmen in die Lage versetzt, effiziente Cash Management-Lösungen
einzusetzen.
Ebenso orientierte man sich bei dem vom
marokkanischen Bankensektor verwendeten Austauschformat für
Kontoauszüge, Überweisungen und Lastschriftverfahren stark an den
CFONB-Formaten.
Momentan wird in Marokko noch immer das
ETEBAC-Protokoll verwendet. Allerdings läuft es unter X.28 über private
PADs und die Unternehmen müssen asynchrone Analog-Modems verwenden, die
kaum noch zu finden sind. Somit wird es nahezu unmöglich, die Anzahl der
Unternehmen zu steigern, die den ETEBAC-Kanal verwenden. Mögliche
Ersatzlösungen sind:
- das Internet-Banking, das jedoch für
Unternehmen mit Konten bei mehreren Banken bzw. Unternehmen mit
erheblichem Transaktionsvolumen ungeeignet ist,
- SWIFT, was zu wiederkehrenden Zusatzkosten führt, die nicht unerheblich sind,
- weniger gebräuchliche Protokolle wie PeSIT, die künftigen Anforderungen nicht gerecht werden.
Der
durch marokkanisches Gesetz vorgegebene Rechtsrahmen für den Austausch
und Schutz digitaler Daten fördert die Verwendung sicherer
Datenaustauschprotokolle mit elektronischer(n) Unterschrift(en). Dadurch
werden die Banktransaktionen mit den für sie geforderten
Sicherheitsfunktionen wie Authentifizierung, Unveränderlichkeit und
Integrität, Geheimhaltung, keine Wiederverwendbarkeit der Unterschrift
sowie Nichtabstreitbarkeit ausgestattet. Diese Funktionen werden
standardmäßig vom EBICS-Protokoll abgedeckt.
Die marokkanischen
Banken, die in Afrika eine Vorreiterrolle einnehmen und in 22 Ländern
des Kontinents vertreten sind, benötigen zuverlässige und bewährte
Systeme zur Finanzdatenübermittlung zwischen den Banken und über Grenzen
hinweg, um unter anderem dafür zu sorgen, dass Marokko zum Drehkreuz
von Banktransfers wird und ein Maximum an Transaktionen an sich zieht,
die auf sichere und moderne Art und Weise durchgeführt werden. Hierfür
bietet sich EBICS als das Mittel der Wahl an.
Übrigens erlaubt
EBICS nicht nur, das bestehende Angebot von Diensten für Unternehmen
auszubauen, es stellt für die marokkanischen Banken auch eine echte
Innovationsmöglichkeit dar, um ganz neue Dienste (z. B. e-Invoicing)
anzubieten.
Und vergessen wir nicht zwei weitere Bereiche, in denen EBICS seine Wirkung voll entfalten könnte:
- In
Europa wird EBICS für den intereuropäischen elektronischen
Zahlungsverkehr zwischen den Banken bereits sehr erfolgreich angewandt.
Die marokkanischen Finanzinstitutionen könnten nachziehen und hätten
somit die Möglichkeit, die Widerstandsfähigkeit und die hohe
Verfügbarkeit im bankenübergreifenden Zahlungsverkehr zu verbessern und
nebenbei dessen Kosten zu optimieren.
- EBICS kann bei
Datentransfers für staatliche Digitalisierungsprojekte eingesetzt
werden, insbesondere im Zusammenhang mit Sozialdaten, medizinischen und
dienststellenübergreifenden Daten.
Ausgehend von obigen
Ausführungen erscheint mir das EBICS-Protokoll, das sich – wie der Leser
des Blogs mittlerweile hat feststellen können – dank seiner
Universalität, seiner einfachen Anwendung, seinem hohen
Sicherheitsniveau und der Tatsache, dass mit seiner Verwendung keine
wiederkehrenden Kosten verbunden sind, in Europa schnell ausbreitet,
eine ideale Alternative für den Business-to-Bank- und
Bank-to-Bank-Zahlungsverkehr. Würden zudem die marokkanischen Banken die
Anwendung des ISO-20022-Standards in Betracht ziehen, wäre dies ein
großer Schritt in Richtung Harmonisierung und Standardisierung des
elektronischen Finanzdatenaustauschs, was zu einer Vereinfachung und
Optimierung der Transaktionen mit Europa führen würde. Dieser Punkt
erscheint mir auch deshalb so wichtig, weil die marokkanische Wirtschaft
durch zahlreiche Standortverlagerungen europäischer Unternehmen von der
geographischen Nähe Marokkos zum europäischen Kontinent profitiert hat.
Stellt
sich schließlich die Frage der Migration nach EBICS. Ist die Migration
ein solch komplexes Unterfangen, dass sie sich als ein echtes Hindernis
für die Verwendung dieses Protokolls erweisen könnte? Bedenkt man, wie
die Migration in Frankreich vonstattenging, ist das meiner Meinung nach
nicht der Fall. Die in diesem Zusammenhang nicht nur von den Herstellern
für Banken- und Unternehmenssoftware, sondern auch von den in Marokko
ansässigen französischen Banken gesammelten Erfahrungen würden eine
sanfte Migration ohne große Anfangsschwierigkeiten sicherstellen.
Marc Dutech