Potius sero quam numquam
Die deutsche Übersetzung zu obigem Zitat von Titus Livius, römischer Geschichtsschreiber zur Zeit des Kaisers Augustus, lautet: «Besser spät als nie.», was man auch über die Einführung von Instant Payments (IP) in der Schweiz sagen könnte. Ab nächstem Jahr gilt für Schweizer Banken mit einem Transaktionsvolumen von mehr als 500'000 Zahlungseingängen pro Jahr die Verpflichtung, Instant Payments in Schweizer Franken empfangen zu können. Ab 2026 gilt diese Regulation der Schweizerischen Nationalbank für alle Teilnehmerbanken am nationalen Clearingsystem, betrieben durch SIX. Was unterscheidet den Schweizer Ansatz von SEPA Instant Payments? Wie könnte IP in der Schweiz zum «new normal» wie in den Niederlanden werden? Ist ein Szenario wie in Deutschland mit geringer Verbreitung auch in der Schweiz wahrscheinlich? Wie gehen die Schweizer Banken aktuell vor? Diese Fragen versucht der nachfolgende Blogbeitrag zu beantworten.
Was unterscheidet IP Schweiz von SEPA Instant Payments?
Um es vorwegzunehmen: IP Schweiz ist nicht kompatibel mit SEPA Instant Payments. IP Schweiz zielt für die Einführung 2024 darauf ab, Zahlungen in Schweizer Franken unter den Teilnehmern des nationalen SIX-Clearingsystems in Echtzeit und rund um die Uhr abwickeln zu können. Um eine mögliche zukünftige Interoperabilität in Euro mit für den SEPA-Raum nicht zu verbauen, wurden die Standards und die Prozesse von SEPA Instant Payments mehrheitlich übernommen. Im Gegensatz zum europäischen Modell existiert in der Schweiz seit Beginn an die Verpflichtung für den Empfang von Zahlungen (zunächst für große und mittlere Banken, danach für alle Banken). Analog zu den Instituten in Europa sind auch hierzulande die technischen Herausforderungen bezüglich Hochverfügbarkeit der Zahlungssysteme enorm hoch und mit großen Investitionen in die Infrastruktur verbunden. Ebenso besteht eine weitverbreitete Skepsis seitens der Banken, ob IP einen Businesscase für die Institute darstellen wird.
IP Schweiz wie IP in den Niederlanden oder IP in Deutschland?
Betrachtet man die IP-Angebote von der Kundenseite her, dann fällt auf, dass es in Europa riesige Unterschiede in der Verbreitung von Instant Payments gibt. Das macht die Prognose für die Banken in der Schweiz so schwierig. Einerseits möchte man mit einer Gebühr auf IP-Zahlungen zumindest einen Teil der Investitionen in die neuen Infrastrukturen amortisieren und anderseits ist man sich bewusst, dass genau dies die flächendeckende Verbreitung bei den Kunden verhindern wird. Gesucht sind demnach neue Anwendungsfälle, wo alle Beteiligten einen Nutzen erzielen. Ein möglicher Ansatz sind neue Konto-zu-Konto-Zahlungsschemata (A2A-Zahlungen) im Handel anstelle der in der Schweiz weitverbreiteten Kartenschemata (Debit und Credit). Aus Sicht des Handels ist das wie in den Niederlanden eine vielversprechende Option, da tiefere Transaktionsgebühren erwartet werden. Aus Sicht der Banken ist das auf den ersten Blick zweischneidig, da mit den bestehenden Kartenschemata aktuell gute Umsätze generiert werden.
Umsetzungsexperiment Realisierung in der Community
Erwähnenswert ist im Kontext von Instant Payments Schweiz das Vorgehen bei der Umsetzung von Instant Payments innerhalb einer Gruppe von an sich konkurrierenden Kantonalbanken. Anfang 2022 haben sich die Kantonalbanken von St. Gallen, Thurgau, Aargau, Baselland, Luzern und Solothurn zu einer Community zusammengeschlossen, um das Projekt gemeinsam umzusetzen. Dies vor dem Hintergrund, dass alle Banken eine nahezu identische Systemlandschaft aufweisen, welche an die Anforderungen von IP angepasst werden müssen. Unter der «Bauleitung» von PPI Schweiz wurde in einem ersten Schritt eine Umsystemanalyse mit den involvierten Systemlieferanten inkl. Einforderung von Grobofferten durchgeführt. Dies mit dem Ziel für die Gruppe Mengenrabatte zu erzielen. Aktuell arbeiten die Institute auch für die Umsetzung zusammen, um Ressourcen zu schonen (eigene und die der Lieferanten). Für das Marktangebot ist bei Einführung 2024 jede Bank wieder auf sich gestellt; die Entwicklung der technischen Basis stellt aus deren Sicht jedoch kein Unterscheidungsmerkmal dar. Ein Novum auf dem Finanzplatz Schweiz.
Autor: Carsten Miehling