Ab Ende 2023 erweitert sich der Nutzerkreis des Electronic Banking Internet Communication Standard (EBICS): Im November kommenden Jahres beginnt in Österreich die Migration der Zahlungsverkehrssysteme vom bisher genutzten proprietären Multi Bank Standard (MBS). Für die Unternehmen in der Alpenrepublik bedeutet die Umstellung zunächst einmal Arbeit, hat aber am Ende klare Vorteile. Denn mit EBICS existiert ein nahtloser Anschluss an den größten europäischen Zahlungsverkehrsraum rund um Deutschland und Frankreich. Außerdem lassen die Banken ihre Kunden beim Umstieg natürlich nicht allein. Zunächst allerdings müssen die Institute selbst ihre Hausaufgaben machen. Über Zeitplan, Vorteile und Vorgehensweisen sprechen in einem gemeinsamen Interview Thomas Bargehr, Produktmanager Banking Solutions and Payment Services, Hypo Vorarlberg Bank AG, und Michael Lembcke, Leading Product Manager, PPI AG.
- Herr
Bargehr, im Juli 2020 hat die österreichische Kreditwirtschaft ihren Beitritt
zur EBICS-Gesellschaft erklärt, seitdem läuft die Einführung bei den Banken.
Wie weit ist Ihr Haus, wie sieht der weitere Fahrplan aus?
Aktuell stimmen wir in der PSA (Payment Service Austria) die Anforderungen an automatische Migrationsschnittstellen ab. Über diese sollen die Daten und Autorisierungsmethoden aus den Altprogrammen und den MBS-Stammdaten transportiert werden. Damit ist ein benutzerfreundlicher Wechsel von MBS zu EBICS möglich. Die Migration selbst soll nach dem nationalen Projektplan ab November 2023 folgen. Ab dem Zeitpunkt müssen dann auch alle Geschäftskunden auf EBICS wechseln. -
Herr
Lembcke, deutsche Banken nutzen EBICS schon geraume Zeit, von Problemen ist
nichts zu hören. Welche Vorteile hat dieser Standard für die Kreditinstitute,
verglichen mit MBS?
Für Firmenkunden ist vor allem eine länderübergreifende Multibankfähigkeit wichtig. Zu viele unterschiedliche nationale Standards oder Verfahren verursachen Mehraufwand und stören die Abläufe. Eine Vereinheitlichung fördert zudem eine mögliche Prozessautomatisierung im Sinne eines Straight-Through-Processing (STP). Auf der Architekturebene ermöglicht EBICS eine innovative, zeitgemäße Auslegung von Zahlungsverkehrssystemen. -
Herr Bargehr, die Weiterentwicklung des MBS
ist eingestellt, die Unternehmenskunden müssen also irgendwann zu EBICS
wechseln. Das verursacht bei Ihren Unternehmenskunden Arbeit, womit ist das zu
rechtfertigen?
Der Zahlungsverkehr und damit einhergehend die von der Kundensoftware zu unterstützenden Formate sind seit der Euro-Einführung einem ständigen Wandel unterworfen. Dass sich alle paar Jahre etwas ändert, sind die Unternehmen also schon gewohnt. Die Hersteller von Enterprise-Ressource-Planing-Software begleiten diese Entwicklungen in der Regel rechtzeitig und qualitativ sehr gut. Gleiches gilt natürlich auch für unser eigenes Haus, das sich immer als verlässlicher Partner an der Seite der Kunden versteht.
- Herr
Lembcke, die PPI AG ist Marktführer von EBICS-Lösungen und hat den Standard von
Anfang an begleitet. Wie läuft aus der Sicht eines Zahlungsverkehrsberaters die
Einführung in Österreich?
Bislang sind keine signifikanten Probleme erkennbar. Die Herausforderung liegt allenfalls darin, den Übergang für alle Beteiligten so reibungslos wie möglich zu gestalten. Da sind wir natürlich auch als Hersteller von EBICS-Software gefragt, Lösungen zu liefern. Natürlich gab es mit MBS in Österreich auch bisher schon einen funktionierenden eBanking-Standard. Aber zukünftig haben die Institute und Firmenkunden in Österreich einen europäischen Multibank-Standard, der auf State-of-the-Art Architekturen beruht und den Zahlungsverkehr im Land langfristig zukunftsfest macht. - Herr
Bargehr, eine solche Migration von Datenverarbeitungsstandards ist keineswegs
eine triviale Angelegenheit. Wie stellen Sie sicher, dass nichts schiefgeht und
es keine Downtimes gibt?
Wir erheben bereits weit vor Migrationsbeginn den aktuellen Status des Kunden und stellen so frühzeitig besondere Anforderungen hinsichtlich Technik und Betreuung fest. Entsprechend begleiten wir die Unternehmen dann bis zum Wechsel. Schlüssel zum Erfolg sind eine saubere Übertragung der Kundenzugänge auf den EBICS-Server, ein kurzer und zugleich handhabbarer Übergangszeitraum sowie ein qualitativ hochwertiger Kundenservice. - Herr
Lembcke, die PPI AG hat zahlreiche Migrationsprojekte in Richtung EBICS
begleitet. Welche Vorgehensweise empfehlen Sie einem Finanzinstitut?
Hier gibt es keine One-Size-Fits-All-Lösung. Das Vorgehen hängt stark von der Strategie und der Kundenstruktur des einzelnen Instituts ab. So ist durchaus eine Big-Bang-Migration denkbar, bei der alle Kunden auf einmal umgezogen werden. Schrittweise Migrationsszenarien haben aber genauso ihre Berechtigung, auch wenn dabei natürlich ein Parallelbetrieb von EBICS und MBS notwendig wird. Wichtig ist der Austausch mit den eigenen Unternehmenskunden, deren Migrationsplanungen abgefragt werden sollten. Für Downtimes gibt es jedenfalls keine Veranlassung, eine Migration im laufenden Betrieb ist absolut machbar.
- Herr
Bargehr, EBICS kennt durchaus regionale Unterschiede, so hat beispielsweise Frankreich auf einige lokale
Anpassungen bestanden. Gibt es auch in Österreich Abweichungen vom
EBICS-Normalfall?
Auch wenn EBICS in Österreich noch kein Standard ist, betreiben die meisten Banken aufgrund der Marktanforderungen bereits heute entsprechende Server und Clients. Dabei gehen sie aber unterschiedlich vor: Manche kaufen sich Lösungen von der Stange und betreiben diese ohne weitere Anpassungen an nationale Besonderheiten. Andere dagegen – hier zählt die Hypo Vorarlberg dazu – analysieren eben jene lokalen Anforderungen und berücksichtigen sie bei der Auslegung ihrer Kundensysteme. Für uns hat die PPI die jeweiligen Sonderfälle in die Zahlungsverkehrslösungen eingebaut. Daher sind wir seit 2017 bereits vollständig EBICS-ready.
- Herr
Lembcke, hat EBICS 3.0 das Potenzial, die Diskussion um die Notwendigkeit
zusätzlicher, PSD2-konformer APIs zu beenden?
Das ist letztlich eine Diskussion, bei der es kein Ergebnis im Sinne eines Entscheides geben kann. Denn genauso wie EBICS ein etablierter, von allen Instituten beherrschter Standard ist, sind APIs aufgrund ihrer Anzahl ebenfalls ein fester Bestandteil der IT-Landschaft. Beides wird noch länger nebeneinander existieren.
- Herr
Bargehr, welchen Weg wird die Hypo Vorarlberg Bank gehen? Bieten Sie
zusätzliche Schnittstellen an oder setzen Sie erstmal voll auf EBICS?
Kleinstkunden können wie gewohnt weiter unser Onlinebanking nutzen. Kleine und mittelständische Unternehmen sowie Großkunden werden bei uns aber künftig ausschließlich mit EBICS arbeiten. Wir nehmen die EBICS-Migration zum Anlass, nach und nach alte Zahlungsverkehrs- und Banking-Systeme abzuschalten und damit Doppelgleisigkeiten zu vermeiden.
- Herr
Lembcke, im europäischen Zahlungsverkehr tut sich derzeit ohnehin einiges, als
Beispiele lassen sich die SWIFT-Umstellung oder Request to Pay (RTP) nennen.
Wie ist EBICS hier einzuordnen?
Der Standard erfüllt alle wichtigen Voraussetzungen, um die absehbaren Veränderungen im europäischen Zahlungsverkehr miteinander zu harmonisieren. Schon deswegen sollte alles getan werden, EBICS in weiteren Ländern offiziell einzuführen. Dabei ist auch auf eine Vereinheitlichung der Nutzungsweise zu achten, um die Akzeptanz zu erhöhen. Die Einsatzbereiche sind bereits jetzt vielfältig. SEPA Instant Payments lässt sich beispielsweise mit EBICS abwickeln, im Interbankenaustausch wird RTP unterstützt. Für die Teilnahme am Zahlungsverkehr der Zukunft ist EBICS die Eintrittskarte!