ISO-Migration im AZV - ein Weckruf

Weltweit werden die Zahlungssysteme auf ISO-20022-Standard UNIFI (universal financial industry message scheme) umgestellt. Im Euroraum begann dieser Prozess mit der SEPA-Einführung 2007. Im kommenden November ist es auch im Individual- und Auslandszahlungsverkehr soweit. Die Finanzwelt verspricht sich viel von der Umstellung. In einer Umfrage von msgGillardon und Unifits haben 99 % der befragten Experten die ISO-Migration sehr oder eher positiv gesehen. Und tatsächlich bietet der neue Standard viele Vorteile, wenn er denn erst einmal möglichst flächendeckend unterstützt wird.

Das Thema ist also alles andere als neu, und doch ist der Weg dahin schwierig und die Einführung musste gleich mehrfach verschoben werden. Dabei setzt das Eurosystem der europäischen Zentralbank auf einen Big-Bang-Ansatz, während SWIFT für den weltweiten Zahlungsverkehr über das SWIFT-Netzwerk eine dreijährige Koexistenzphase von MT- und MX-Formaten vorsieht. Obwohl die Big-Bang-Umstellung wie das schwierigere Projekt wirkt, da alle Banken Europas mit TARGET2 oder EBA Euro1 Anschluss zeitgleich und ohne jede zeitliche Toleranz umstellen müssen, hat auch die Koexistenzphase von MT und MX ihre Tücken.

Die TARGET-MX-Migration ist zunächst viel mehr als nur eine Formatumstellung. So wird zeitgleich der technische Zugang auf ESMIG (Eurosystem Single Market Infrastructure Gateway) umgestellt. Es werden ein ISO-basierter Recall-Prozess sowie ein zentrales Liquiditätsmanagement (CLM) mit neuen Liquiditätskonten (MCA/DCA) eingeführt. Die EZB hat den Banken einen Testzeitraum von rund einem Jahr verordnet und überwacht den Umstieg laufend – bei nicht wenigen Banken stehen die eigenen TGT-MX-Projekte auf gelb oder rot. Der sichere Betrieb des Großbetragszahlungsverkehrs in Europa scheint bei einigen Instituten gefährdet zu sein.
 
Dieser Weckruf bezieht sich jedoch auf die Umstellung im Auslandszahlungsverkehr. Die SWIFT-Initiative CBPR+ (Cross-Border Payments and Reporting Plus) versucht durch die 3-jährige Übergangszeit einen weichen Übergang zu ermöglichen. Jede Bank soll im eigenen Tempo dem Ziel der ISO-Migration nachkommen können. In der Folge wird an vielen Stellen konvertiert anstatt den ISO Datenhaushalt end-to-end zu verarbeiten. Einige Banken senden und empfangen weiterhin MT-Nachrichten für die Zahlungen, andere bereits die ISO-Formate. Darüber hinaus ist die Migration je Nachrichtentyp sowieso zeitlich gestaffelt.

Bei genauer Betrachtung zeigt sich, dass der Übergangszeitraum sowohl für Banken, die noch nicht auf ISO umgestellt haben, als auch für Banken, die eigentlich ISO-ready sind, gewaltige Probleme erwarten lässt:

Banken, die nur MT verarbeiten können, riskieren langsamere Prozesse durch Konvertierungen, müssen zum Beispiel aus Compliancegründen in Übergangslösungen investieren, da in einigen Prozessen doch die Original-ISO-Formate abgeholt und geprüft werden müssen. Das größte Übel: der drohende Datenverlust, bei Adressen beispielsweise…

Andere Probleme kommen auf alle SWIFT-Teilnehmer zu: Die MT/MX-Übergangszeit führt zu einer Vielzahl neuer Szenarien und Use Cases wegen der möglichen Formate in Nachrichten einer Transaktion – Avis in MT, Deckung in MX, Gebührenforderung in MT, Recall in MX etc. Die Transaktionsüberwachung wird erschwert, unterschiedliches Mapping in beteiligten Banken kann zu Fehlinterpretationen führen.

Ein besonders kritisches Szenario möchte ich kurz darstellen: Eine im ISO-Format beauftragte Zahlung wird über eine längere Kette von Korrespondenzbanken, von denen eine nur MT-Format senden kann, ausgeführt. Der MT-Korrespondent empfängt die konvertierte ISO-Zahlung und ist zwar verpflichtet, das Original-ISO-Format abzuholen, kann die abgeschnittenen Daten im MT-Format jedoch nicht weitergeben. Der SWIFT Transaction Monitor enthält noch keine Golden Copy der Originalzahlung, und damit kann die Empfängerbank nun die verlorenen Daten weder aus der MT-Nachricht noch von SWIFT herauslesen oder abfragen. In diesem Szenario werden die Informationen also nicht vollständig vom Auftraggeber an den Empfänger transportiert, obwohl sowohl die Bank des Auftraggebers als auch die Bank des Empfängers bereits mit den ISO-Formaten umgehen können.

Meine Empfehlung ist daher, trotz des akuten Fachkräftemangels die verbliebene Zeit zu nutzen und die AZV-Umstellung mit all seinen vielen Szenarien (die in dieser Ausprägung wirklich neu sind) zu testen. Im Idealfall testen Sie insbesondere mit Ihren Korrespondenten gemeinsam und überprüfen, ob das Mapping von bilateral vereinbarten MT-Belegungen auch in der ISO-Welt noch zusammenpasst.
Schließlich sollten alle Banken, die als Transaktionsbanken agieren, zügig ohne Konvertierung den ISO Datenhaushalt end-to-end verarbeiten können.

Dem internationalen Zahlungsverkehr droht sonst eine dreijährige Zerreißprobe.

Thomas Riedel