Der digitale Euro als Innovationsgrundlage für die Wirtschaft

Die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft schreitet mit rasantem Tempo voran. Vor allem das Internet of Things (IoT) verspricht revolutionäre Geschäftsmodelle, bei denen sich die europäische Industrie als Weltmarktführer positionieren kann. Hierbei bezeichnet der Begriff IoT die zunehmende Vernetzung von Maschinen und Geräten. Dabei werden Geräte mit einer digitalen Identität ausgestattet, sodass sie miteinander kommunizieren und ohne menschliche Eingriffe autonom Prozesse ausführen können. Dieser Trend wird in der Zukunft immer mehr an Relevanz gewinnen. 

Um das volle Potenzial der Digitalisierung der Industrie auszuschöpfen, muss der komplette Prozess inklusive Zahlungsverkehr optimiert und auf IoT-Payments abgestimmt werden, sodass auch Zahlungen in Zusammenhang mit diesen neuen Geschäftsmodellen effizient, automatisiert und in Echtzeit abgewickelt werden können. 

Das heutige Zahlungssystem weist im Zusammenhang mit IoT jedoch noch folgende Ineffizienzen auf:

  1. Begrenzte Umsetzbarkeit von Internet of Things (IoT)-Geschäftsmodellen
    Pay-per-Use- und Machine-to-Machine-Zahlungen erfordern menschlichen Eingriff

  2. Keine durchgehende Standardisierung
    Für eine durchgängige automatisierte Verarbeitung fehlen noch geeignete Standards.

  3. Fehlende Automatisierung beim Onboarding
    Mit der Etablierung von autonomen Maschinen ist ein automatisiertes Onboarding notwendig.

  4. Hohe Transaktionskosten
    Besonders grenzüberschreitende Transaktionen und Kleinstbetragszahlungen sind mit hohen Kosten verbunden.

  5. Langsame Settlement-Mechanismen
    Mit Instant Payments sind zwar Echtzeitzahlungen möglich, aber die Verbreitung ist eingeschränkt.

  6. Fehlende Know-your-Object-Prozesse
    Geeignete Compliance-Prozesse zum Erkennen und Prüfen von Maschinenidentitäten müssen noch geschaffen werden.

Zur Minimierung dieser Prozessineffizienzen und Limitationen des Zahlungssystem wäre die Etablierung eines innovativen Geldsystems von großem Vorteil. So sollte die Europäische Zentralbank (EZB) während der zweijährigen Analysephase zum digitalen Euro nicht nur die Auswirkungen auf den Konsumenten berücksichtigen, sondern auch Lösungen für die voranschreitende digitale Transformation der Wirtschaftsprozesse entwickeln. Da es jedoch gegenwärtig unklar ist, welche Ergebnisse während der Analysephase für die Wirtschaft entstehen, hat der Privatsektor bereits begonnen, den Euro zu digitalisieren, sodass (Übergangs-)Technologien für Wirtschaftsprozesse Einzug erhalten. 

Wir von PPI verfolgen dieses Thema mit großer Begeisterung und sehen die Innovationsfähigkeit des Zahlungssystems als unabdingbar für die Wirtschaft. Um Sie über aktuelle Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten, werden wir Sie in diesem Jahr auf diesem Wege regelmäßig über Neuigkeiten zum digitalen Euro informieren.

Autor: Philipp Schröder

Zahlungsverkehr 2022: Jahr der Weichenstellungen

Die Fülle der Aufgaben im Zahlungsverkehr bleibt gewaltig. Für viele Vorhaben wird 2022 ein entscheidendes Jahr. Angesichts schwieriger Rahmenbedingungen – nicht zuletzt durch die anhaltende Pandemie – stellt sich allerdings die Frage, ob alle von ihnen wirklich fahrplanmäßig über die Zielgerade gehen beziehungsweise maßgeblich weiter vorangetrieben werden können.

Zu den bedeutendsten Initiativen im Jahr 2022 zählen sicherlich die großen Projekte im internationalen und Großbetragszahlungsverkehr: der Go-live der TARGET2-Konsolidierung und der Start der SWIFT-Umstellung auf das ISO-20022-Format, beide im November 2022. Belastbare Aufschlüsse, wie weit die Finanzdienstleistungsbranche bei ihren Vorbereitungen für die TARGET2-Umstellung wirklich ist, werden die im Frühjahr Fahrt aufnehmenden Nutzertests und ihre Überwachung durch die Zentralbanken zeigen.

Darüber hinaus zeichnen sich am Horizont des internationalen Zahlungsverkehrs bereits zwei weitere Vorhaben ab: die Abwicklung grenzüberschreitender Zahlungen in Echtzeit sowie die Vereinfachung und Verbesserung internationaler Zahlungen für kleinere Unternehmen und Verbraucher. Treiber hinter dieser Entwicklung sind die G-20-Staaten und der Erfolg alternativer Anbieter wie Wise.

Im Massenzahlungsverkehr (SEPA) müssen sich Zahlungsdienstanbieter in diesem Jahr für die 2023 anstehende Umstellung der SEPA-Schemes auf die neuere ISO-Version fit machen. Zudem müssen sie die konkreten Auswirkungen der EU-Richtlinie gegen Mehrwertsteuerbetrug auf ihren Geschäftsbetrieb einschätzen. Hintergrund: Die EU ergreift massive gesetzliche Maßnahmen zur Eindämmung der Mehrwertsteuerlücke innerhalb der Union und führt dazu eine Art Steuerdatenhaltung im Zahlungsverkehr ein. Die neuen Meldepflichten treffen Finanzdienstleister ab Januar 2024. 


Schicksalsjahr für RTP

Bei den SEPA-Verfahren wird sich das Augenmerk in diesem Jahr darauf richten, ob es gelingt, Request to Pay (RTP) in den Markt zu tragen. Anwendungsszenarien gibt es reichlich. RTP ist unter anderem im E-Commerce, im E-Billing-Prozess und für wiederkehrende Zahlungen, ja sogar am Point of Sale einsetzbar. Dennoch zögern Finanzdienstleister offenbar mit der konkreten Umsetzung. Bislang sind kaum Bestrebungen erkennbar, Produkte auf Basis einer RTP-Nutzung aufzulegen. Mögliche Gründe hierfür sind eine mangelnde Nachfrage, wirtschaftliche oder technische Hürden:
 

  • Kunde-Bank-Schnittstelle: Es gibt aktuell kein zentrales Verzeichnis, welcher Kunde sein Konto bei welchem Institut hat.
  •  RTP-Clearing: Bislang bietet nur EBA CLEARING solche Prozesse, die mit RTP konform sind. Um möglichst viele Zahlungsempfänger und Zahler abzudecken, müssen andere Clearinghäuser nachziehen.
  • Zahlungsablauf: Zum einen ist eine technische Lösung für das Matching gefragt, also für die Zuordnung von Antwortmeldungen an die Bank des Zahlungsempfängers zum ursprünglichen RTP. Zum anderen gilt es zu entscheiden, welche Zahlungsmöglichkeiten angeboten werden sollen.

Beim Zahlungsablauf von RTP beruhen viele Anwendungsfälle auf dem Einsatz von SEPA Instant Payments. 2022 wird Klarheit bringen, ob die EU-Kommission Instant Payments im Rahmen einer Anpassung der SEPA-Verordnung oder der Payment Services Directive (PSD) – zumindest im Hinblick auf Erreichbarkeit – verbindlich für alle Zahlungsinstitute vorschreiben wird. Denn zum Ende des Jahres 2021 hatten nur rund 60 Prozent aller europäischen Zahlungsdienstleister das entsprechende Scheme gezeichnet. Entsprechend erfolgen nur – oder immerhin – gut zehn Prozent aller Überweisungen im SEPA-Raum auf Basis von SEPA Instant Credit Transfer (SCT Inst).


Wenig Dynamik bei EPI zu erwarten

Die Verbreitung von RTP und Instant Payments wird auch für die Verwirklichung der European Payments Initiative (EPI) eine wichtige Rolle spielen. Im Moment ist allerdings fraglich, ob es überhaupt gelingt, eine einheitliche gesamteuropäische Zahlungslösung als Alternative zu bestehenden internationalen Zahlungslösungen und -systemen zu schaffen. In Deutschland scheinen nur noch die Sparkassen-Finanzgruppe und die Deutsche Bank der Initiative zu folgen. Scheitert die EPI, machen sich die Europäer endgültig von US-amerikanischen und wohl auch chinesischen Verfahren abhängig. Es bleibt zu hoffen, dass sowohl die Politik als auch die öffentliche Hand gegenüber der Finanzbranche den Druck, aber auch die Unterstützung noch einmal deutlich erhöhen. Und vielleicht bildet ja auch ein französisch-deutscher Kern den Nukleus für EPI.

Und wie geht es 2022 mit dem digitalen Euro weiter? Das Zukunftsprojekt steht immer noch auf dem Prüfstand. Dabei gilt die Prämisse, dass der digitale Euro das Bargeld nicht ablösen, sondern ergänzen soll. Aus Verbrauchersicht muss die digitale Alternative ein Höchstmaß an Anonymität und Sicherheit bieten. Darüber hinaus sind Bereitstellung, Verfügbarkeit und Interoperabilität von hoher Bedeutung. Nach aktuellem Kenntnisstand will die EZB Geschäftsbanken und Zahlungsdienstanbieter (Payment Service Providers, kurz PSP) in das Vorhaben einbinden. Sie sollen als Vermittler zwischen Zentralbanken und Verbrauchern fungieren.


So oder so: Der digitale Euro wird kommen

Aber digitales Geld muss ja nicht zwangsläufig von einer Zentralbank herausgegeben werden. Auch Finanzinstitute können Lösungen für die sogenannten programmierbaren Zahlungen schaffen. Ein Beispiel hierfür sind eurobasierte Stablecoins – digitale Token, die mit einem bestimmten Geldwert unterlegt sind. Auch bei diesen Verfahren sind 2022 Fortschritte zu erwarten.

Wie auch immer die digitale Währung am Ende aussieht, sie wird kommen. Denn nur dadurch kann die deutsche Industrie von den Potenzialen des Internet of Things (IoT) in vollem Umfang profitieren. Besonders die fortschreitende Automatisierung in der Warenlogistik oder auch die immer beliebteren Asset-as-a-Service-Modelle sind ohne vollständig autonome Zahlungen in Echtzeit dauerhaft kaum vorstellbar.

Angesichts der mit den oben genannten Umstellungen verbundenen Kosten werden Kreditinstitute – vornehmlich Tier-2-Institute – auch 2022  die Abwicklung des Zahlungsverkehrs zunehmend auslagern oder zumindest Zahlungsverkehrssoftware als Software as a Service einkaufen.


Kampf um die Talente

Last, but not least wird sich ein gesamtgesellschaftlicher Trend der vergangenen Jahre weiter verstärken: der Mangel an beziehungsweise der Kampf um Ressourcen. Die Preise für Experten und Dienstleistungen in der IT werden weiter steigen. Denn die Frage ist zunehmend nicht mehr, wer eine Aufgabe übernehmen kann, sondern ob man überhaupt jemanden findet, der sie erledigt. Die Einkaufsabteilungen der Kreditinstitute werden sich zu Headhuntern für externe Ressourcen entwickeln.


Autor: Hubertus von Poser, Head of Consulting Payments, PPI AG