Zentrale Datenplattform als Entwicklungsziel
Zahlungsverkehrssysteme gehören zum Kern der Finanzinfrastruktur. Ein Ausfall wie bei TARGET2 im vergangenen Jahr wiegt schwer, die Aufregung darüber ist verständlich. Die Verschiebung der Umstellung auf ISO-20022-konforme XML-Datenformate im europäischen Zahlungsverkehr steht damit zwar nicht im Sachzusammenhang, gibt den Finanzinstituten aber natürlich zeitliche Spielräume. Die können sie brauchen, denn mit der Formatänderung wurden noch weitere Dinge ins Rollen gebracht. So hat SWIFT mit der TMP die Einrichtung einer zentralen Datenplattform für den Auslandszahlungsverkehr, basierend auf dem XML-Standard, angekündigt.
Durch die zentrale Speicherung sämtlicher Transaktionsdaten können alle am Prozess Beteiligten jederzeit auf die Daten zugreifen. Für SWIFT ist das ein Paradigmenwechsel, weg vom reinen Informationsmittler hin zum vollgültigen Zahlungslogistiker. Die Plattformlösung bietet eine Reihe von Vorteilen:
- Reduktion der Schnittstellen
- keine Datenverluste zwischen den einzelnen Stationen
- hohe Transparenz für alle Beteiligten
- höhere Manipulationssicherheit
- mehr Serviceangebote
Keine Einführung ohne Risiken
Allerdings birgt die Einführung der TMP auch einige Fallstricke. Da ist zunächst ein Ausfall des SWIFT-Netzwerks. Bei der zentralen TMP gingen im Extremfall sämtliche Aufträge eines bestimmten Zeitraums verloren. Bedenken der Banken, sich hier einen Single Point of Failure ins Haus zu holen, sind nicht völlig von der Hand zu weisen. Bei der Vertraulichkeit der Daten ist zu berücksichtigen, dass die Vereinigten Staaten schon direkte Zugriffsrechte auf den Datenbestand des SWIFT-US-Rechenzentrums verlangten. SWIFT baute als Reaktion darauf unter anderem einen Standort in der Schweiz auf.
Gibt es Alternativen zu SWIFT?
Im Prinzip ja – aber die Auswahl hält sich in Grenzen: Mögliche Kandidaten sind Internet-Zahlungsnetzwerke wie etwa Ripple. Erste Großbanken nutzen das System bereits probeweise. Noch nicht marktreif, aber in Zukunft auf jeden Fall eine mögliche Alternative stellen digitale Zentralbankwährungen dar (Central Bank Digital Currencies). Der E-Renminbi in China ist bereits in einigen Provinzen in der Erprobungsphase, die schwedische E-Krone hat unlängst den Testbetrieb begonnen. Die EZB dürfte mit dem digitalen Euro nachziehen.
Eine weitere Überlegung wert sind grenzüberschreitende Echtzeit-Bruttoabwicklungs¬systeme (englisch Real-Time Gross Settlement, RTGS). Allerdings kommen diese nicht eben häufig vor oder aber sind, wie SEPA, auf eine einzelne Währung festgelegt. Schließlich gibt es eigens als Alternative zu SWIFT aufgesetzte Kooperationen wie Support of Trade Exchanges (INSTEX). Dieses europäische System wurde eigens für den Handel mit dem Iran ins Leben gerufen. China ist mit CIPS einen ähnlichen Weg gegangen. Gänzlich anders, aber ebenfalls grundsätzlich auf der Kooperation der beteiligten Banken aufbauend, funktioniert Visa B2B Connect. In Europa ist der Service derzeit in ausgewählten Ländern verfügbar.
Aber selbst eine Lösung von SWIFT mittels einer der – raren – Alternativen befreit die Finanzinstitute nicht von der Verpflichtung, auf ISO-20022-konforme XML-Datenformate umzustellen. Gleichzeitig ist es für Banken ratsam, sich die durch TMP anstehenden Änderungen im Auslandszahlungsverkehr genau anzusehen und zu hinterfragen. In der Roadmap hin zu ISO 20022 ist durch die Verschiebung des Go-live-Termins etwas Zeit gewonnen – diese sollte jetzt sinnvoll genutzt werden!
Autoren: Sabine Aigner, Thomas Ambühler